Magasi mit Löffeln
von Klaus Thomas
Als
ich an Sophias Ladengeschäft vorbeigehe, lädt mich Stamatia,
die Mutter der Inhaberin, ein hineinzukommen und ein Tässchen
Kaffee mit ihr zu trinken.
Sie muss ihre Tochter vertreten, die heute in Karpathos' Hauptstadt Besorgungen macht.
Anhand der Waren, die sich in den Regalen
stapeln, stelle ich mir vor, dass es ursprünglich das
Schreib- und Haushaltswarengeschäft der Insel gewesen sein
könnte. Mittlerweile sind in das Sortiment weitere Warengruppen
aufgenommen worden, wie Spielzeug, Süßwaren, Dauerbrot und
hauptsächlich Souvenirs.
Da sie meint, mein Griechisch sei besser als ihr Englisch, will
Stamatia sich auf Griechisch unterhalten. Ich begrüsse das
Angebot als nützliche Sprachübung. Allerdings setzen meine
derzeit noch sehr beschränkten Kenntnisse unserer Unterhaltung
enge Grenzen.
Nachteilig für das Geschäft mit Souvenirs wirkt die Tatsache,
dass der Laden in einer abgelegenen Seitengasse liegt. Nur wenige
Touristen verirren sich hierher.
Plaudernd sitzen wir im Bereich der geöffneten Ladentür und schauen nach draussen auf die sonnenbeschiene Gasse.
Da schieben sich vor das von der Tür umrahmte strahlendhelle
Rechteck zunächst die Silhouette einer Kamera, dann eines Bauches,
vor dem sie hängt, und schliesslich des Badehosen, Tennissocken
und Sandalen tragenden Besitzer des Bauches. Nach einer kurzen
Weile sieht er uns im Dunkel des Ladens sitzen und kommt herein.
Stamatias freundliches "Can I help you?" beantwortet er mit breitester
Mundart "Grüss Gott. Hom's a daitsche Bschraibung von
derra Inseln?
Nachdem ich übersetzt habe, findet Stamatia erstaunlich schnell
den Stapel mit den Reiseführern, den wir gemeinsam durchsuchen.
Neben englischen, französischen italienischen und
niederländischen finden wir einige deutsche Exemplare. Unser
Interessent
blättert darin, ist aber nicht zufrieden.
Nun offenbart er uns
sein Hobby. Er sammle Andenkenlöffel mit Wappen im Griff. Wenn er
gedacht hat, Stamatia damit in Verlegenheit zu bringen, hat er sich
geirrt. Sie dreht sich zu dem Regal hinter uns und beginnt in hohen
Stapeln von kleinen Kästchen und Plastikschachteln zu suchen. Ich staune
nicht weniger als unser Löffelsammler als sie nach kurzer Zeit
zwei Schaukartons mit etwa einem Dutzend Teelöffeln
präsentiert, deren Stiele mit Bildchen, Wappen oder
Schriftzügen verziert sind. Aufmerksam prüfend kommentiert er einzelne Exemplare. Die Akropolis, die
griechische Flagge auch der Koloss von Rhodos haben ihm zu wenig lokalen Bezug.
Stamatia möchte immer wieder wissen, was er sagt: "Ti läi?"
Ich versuche zu übersetzen. Da findet sie ein Exemplar mit dem Umriss und dem Namen von Karpathos.
Na bitte! Jetzt wird unser Spezialist doch wohl nicht noch einen Grusslöffel von diesem Dorf hier verlangen?
Nein, er will den Löffel tatsächlich kaufen, aber unter einer
Bedingung: "Bittschön, I mächt a Foto mochn vo eänna".
Dabei gestikuliert er mit seiner Digicam, so dass Stamatia auch ohne
Übersetzung versteht. Wenig begeistert, ordnet sie schnell Kleider und Haare. Sie fügt
sich der Bitte und stellt sich lächelnd in Position. "Ich habe
doch heute nur meine Arbeitskleidung an" erklärt sie bedauernd,
fast entschuldigend. "Wie alle Dorfbewohnerinnen besitzt sie eine
prachtvolle Tracht, die auch im Alltag stolz getragen wird. Nur
ausgerechnet heute ist sie nach ihrer Hausarbeit nicht zum umziehen
gekommen. Darin hätte sie sich gern fotografieren lassen.
Jedenfalls ist Stamatia stolz Ihren Kunden zufriedengestellt zu haben.
Doch schon taucht mit der Frage:
"Was kostet das?" ein unerwartetes Problem auf. Bedauerlicherweise ist auf der Ware kein Preis
vermerkt. Mehr fragend als fordernd nennt Stamatia eine lächerlich
niedrige Zahl. Unser Freund, mit skeptischer Mine bereits in
Preisverhandlungbereitschaft, schlägt verblüfft ein. Offenbar
hätte er ohne zu murren auch mehr bezahlt.
Doch "ein" hat er noch: Bei der Verabschiedung lässt er mich wissen:
"I hob fei au amoi Griechisch gekennt. Hob ollis weada feagessn. Woss i no woiss: 'Danke' hoasst 'Kalimera', gell?"
© Klaus Thomas 2008
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