Fotoperspektiven

Es ist ein frühsommerlicher Samstag. Wir sitzen mit  Freunden in einem unserer Kreuzberger Lieblings-Straßencafés , dort wo sich der Park zur ruhigen Wohnstrasse öffnet. Gestern vom Kretaurlaub zurückgekehrt haben wir Fotos zu betrachten und Geschichten zu erzählen: 'Der Strand direkt vor unserer Unterkunft, die Wanderung zum Bergdorf, der Abstieg in die Schlucht, ...'

Plötzlich schiebt sich ein Monstrum von Reisebus den engen Pflasterweg herauf. Ist der irrtümlich von der Hauptstraße abgekommen? Nein, er steuert zielstrebig an unserem Lieblingsplätzchen vorbei. Wir wundern uns, wie hoch so ein moderner Pullman ist. Von dort oben  begaffen uns dutzende Augenpaare.  "Guck mal..." scheint einer, der auf uns deutet, den anderen zu erklären "... typisch Kreuzberg... die frühstücken sogar noch nachmittags." Gleich zeigen Digicams und Fotohandys an ausgestreckten Armen auf uns. Blitze versuchen vergeblich die besonnte Cafészenerie weiter aufzuhellen, erzeugen doch nur bildstörende Reflektionen am getönten Fensterglas. Langsam aber unaufhaltsam rollt der Bus weiter.
Interessieren die sich wirklich für uns? Stolz weicht Unbehagen. Es bleibt uns verwehrt zu erklären, dass unser "Brunch" etwas anderes ist als Frühstück. An seltenen Samstagen tun wir es. Gern würden wir ein bißchen über uns erzählen, etwas über unsere Betrachter erfahren. Doch die ziehen es vor zu entfliehen. Wie scheu sie sind. Trauen sich keine weiter Annäherung, vermeiden das geringste Innehalten.
Noch eine Weile sind wir darüber nachdenklich.
Touristen beschränken sich auf die Mitnahme eines Bildes,  weit weg von der Wirklichkeit, und dabei wären sie so dicht dran gewesen am eigenen Erleben.

Dann wenden wir uns wieder unseren Fotos zu:
Unser Wirt, der mit dem Popen im traditionellen Kafenio beim Tavlispiel sitzt. Die alte Frau, die  vor ihrer Haustür hockt und Auberginen schneidet ...

©  Klaus Thomas      2007

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