Einkaufswagen
Machnidis geht nur gelegentlich im Supermarkt einkaufen. Er mag die Enge nicht.
Doch heute hat er viel zu besorgen. Dafür müsste er in der Markthalle drei, vier Stände anlaufen. Danach steht ihm nicht der Sinn und er hofft auf eine nicht zu lange
Warteschlange an der Supermarktkasse.
Doch zuvor gilt es die gewünschten Waren einzusammeln. Zu diesem Zweck
hält er das Instrument des Einkaufswagens für sehr
segensreich.
Da fällt ihm eine Mitkundin auf, die sich etwas steif und
langsam den Gang entlang schiebt. Als sie verzögert beiseite
tritt, um ihn mit seinem Einkaufswagen passieren zu lassen, erkennt er
den Grund der Behinderung: In der rechten Hand eine Weinflasche, mit
der Packung Scheibenschwarzbrot in der Linken zwei Rollen Klopapier an
den Körper gedrückt. Darauf werden Joghurtbecher,
Frischkäse und ein Kopfsalat balanciert.
Ist das ein Trend? Dort übt ein weiterer Kunde seine artistischen
Fähigkeiten auf ähnliche Weise. Dieser entschließt sich
gerade seine Sammlung zu erweitern. Er muss seinen Stapel soweit
ausbalancieren, dass er die Selterflasche aus seiner rechten Hand
kurzzeitig auf dem Boden abstellen kann, um seinem Turm mit einer
Tüte Gummibärchen eine weitere Etage hinzuzufügen. Die
Installation reicht ihm jetzt bis zum Hals, so dass er zusätzliche
Stabilität herstellen kann, in dem er den Kopf leicht nach vorn
neigt, um so mit dem Kinn von oben auf die Konstruktion zu
drücken. Durch Einknicken der Knie mit senkrecht gehaltenen
Oberkörper und steifem Nacken ist es ihm nun ein Leichtes einhändig nach der
abgestellten Selterflasche zu tasten um sie wieder aufzunehmen.
Ein blechernes Bimmeln. Die Klopapier-Balancierkünstlerin
schaut einen Moment hilflos um sich. Wenn es nicht ihr Schwarzbrot ist,
dann muss es ihr Handy sein, das da klingelt. Kurzentschlossen legt sie ein paar ihrer Sachen
im Kühlregal ab, das gerade in ihrer Reichweite ist. Leider direkt
auf den Camembert, von dem Machnidis sich im selben Moment nehmen wollte.
An der Kasse trifft man sich wieder. Gern rückt Machnidis seine Waren
auf dem Band zusammen, um Platz für sie zu machen. Halb
abstellend, halb fallenlassend befreit sie sich von ihrer Last und
macht erleichtert einige ausgleichende Bewegungen mit Kopf und
Schultern.
Hin und wieder lässt es sich doch gut im Supermarkt einkaufen,
denkt Machnidis. Hier gibt es bequeme Einkaufswagen und unterhaltsame
Menschen.
© Tilo Fries 2008
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